Horst Herold, Präsident des Bundeskriminalamtes von 1971 bis 1981, gehört sicherlich zu den bekannteren Figuren der 1970er Jahre. Als oberster Terroristenjäger der Republik war er maßgeblich für die Fahndung nach der RAF und der Bewegung 2. Juni verantwortlich und hat die Entwicklung des BKA geprägt wie kein zweiter. Bereits während seiner Zeit als Polizeipräsident von Nürnberg (1967-71) hat er sich mit Kriminalgeographie und dem polizeilichen Nutzen von Computern zur Speicherung und Auswertung von Informationen befasst, ein Instrument, welches er ab 1971 beim BKA forciert ausbaute. Nachzulesen ist über die bemerkenswerte Karriere von Horst Herold in der gelungenen Biographie von Dieter Schenk: „Der Chef. Horst Herold und das BKA.“
Am Ende seiner Tätigkeit beim BKA, im Spätsommer 1980, gab Horst Herold dem Anwalt, Journalisten und Bürgerrechtler Sebastian Cobler ein folgenreiches Interview über die aktuelle Entwicklung der Kriminalistik. In der Fassung, in der das Gespräch schließlich im Magazin TransAtlantik erschien, war es Wasser auf den Mühlen jener, die im Computer eine große Gefahr für die freiheitliche Gesellschaft sahen…
Der folgende Text ist ein Auszug aus meiner geschichtswissenschaftlichen Masterarbeit mit dem Thema “Ursprünge und Entwicklung des Chaos Computer Clubs in den 1980er Jahren” (PDF|ePub). Weitere Auszüge folgen in den nächsten Wochen. Alle Bereits veröffentlichten Teile sind hier zu finden.
Das Gespräch zwischen Herold und dem Bürgerrechtler und Journalisten Sebastian Cobler sollte ursprünglich in der Zeitschrift Kursbuch erscheinen. Von der Offenheit seiner eigenen Worten überrascht, lies Herold das Gespräch jedoch derart redigieren, dass laut Cobler kaum noch etwas vom ursprünglichen Gesprächsinhalt übrig blieb. Auf die Veröffentlichung im Kursbuch verzichtet er daraufhin. Stattdessen erschien das unredigierte Interview in dem vom Kursbuch-Herausgeber Enzensberger gerade neugegründetem Kulturmagazin TransAtlantik, „als ein politisches Dokument“.
Aus Sicht von Herold stellt sich die Geschichte des Interviews jedoch anders dar. Nach der Veröffentlichung des Interviews in TransAtlantik und einer anschließenden auszugsweisen Verwertung im Spiegel hatte Herold erfolgreich gegen Cobler geklagt, da er der Meinung war, das die veröffentlichte Fassung durch Auslassungen, Verkürzungen und Umstellungen nur noch wenig mit dem eigentlichen Gesprächsverlauf zu tun hätte. Herold klagte nicht nur gegen Cobler, in den folgenden Jahren führte er über 70 Prozesse gegen die Verwendung des Interviews in unterschiedlichen Publikationen, darunter gegen den SPIEGEL. Cobler gab am Ende zu, dass seine Fassung des Interviews zu Fehldeutungen von Herolds Aussagen führen könne. Trotz und auch wegen dem Vorgehen Herolds gegen das Interview führte es dazu, die Ängste gegen den „Computerstaat“ noch weiter zu verstärken. Daher stellt das Interview eine zeitgeschichtliche Quelle von hohem Wert dar.
Weiterlesen »